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Wirtschaftsstandort Deutschland: Wir sind gern hier, sehen aber Handlungsbedarf

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13/06/2024

CEO-Corner, Geschäftsführung | Ein Beitrag von John Galvin, Vorsitzender der Geschäftsführung

Ist der Wirtschaftsstandort Deutschland für die Industrie noch attraktiv? Laut Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG ist Deutschland im europaweiten Vergleich nicht mehr die Top-Adresse für Investorinnen und Investoren – auch wegen struktureller Hindernisse wie der Bürokratie. Als Vorsitzender der Geschäftsführung von Coca-Cola Europacific Partners Deutschland, dem größten Getränkeunternehmen hierzulande, sage ich: Ja, es ist attraktiv, in Deutschland zu investieren. Aber es gibt auch politischen Handlungsbedarf.

Wirtschaftsstandort Deutschland: John Galvin im Gespräch mit den Mitarbeitenden

An unseren 27 Standorten in Deutschland bin ich zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus unserer Geschäftsleitung jedes Jahr vor Ort, um zu erfahren, was unsere Mitarbeitenden beschäftigt. Foto: Coca-Cola / Uli Deck

Lange Verbundenheit mit dem Wirtschaftsstandort Deutschland

Seit 1929, also seit fast 100 Jahren, ist Coca-Cola fester Bestandteil der deutschen Wirtschaft. Wir produzieren, beschäftigen und investieren gerne hier – in 14 Werken, zehn Logistikstandorten und drei weiteren Standorten, darunter unsere Zentrale in Berlin. Unsere 6.500 Mitarbeitenden sind im ganzen Bundesgebiet verteilt: an unseren Standorten von Bayern bis Schleswig-Holstein und von Nordrhein-Westfalen bis Brandenburg sowie im Außendienst. In vielen Regionen sind wir wichtiger Arbeitgeber und Ausbildungsbetrieb.

Coca-Cola Mitarbeitende bei der Überprüfung einer Fanta Flasche

Unsere PET-Mehrwegabfüllung an unserem Produktionsstandort in Fürstenfeldbruck bei München. Foto: Coca-Cola / Arian Müller

Die Vorteile von Deutschland als Wirtschaftsstandort nutzen

Unser großes Produktions- und Logistiknetzwerk ist unsere Stärke und der Grund, warum wir unsere Getränke weitgehend regional produzieren und ausliefern. Dazu nutzen wir die Vorteile, die uns Deutschland als Wirtschaftsstandort bietet. Aus meiner Sicht sind das vor allem die Innovationen, die unser Geschäft voranbringen und nachhaltiger machen. Aber auch die politische Stabilität und die funktionierende Transportinfrastruktur sprechen – trotz aller Kritik – für den Standort Deutschland.

Standort Deutschland: John Galvin im Gespräch mit Mitarbeitenden

Gut ausgebildete und produktive Fachkräfte sind immer noch ein Vorteil hierzulande, allerdings werden diese durch die demografische Entwicklung immer knapper. Foto: Coca-Cola / Uli Deck

Standort Deutschland: Bürokratie trifft Unternehmen hart

Wir sehen auch Punkte, an denen dringend gearbeitet werden muss: Allen voran an der überbordenden Bürokratie, die uns zu schaffen macht. Aus meiner Sicht ist sie zunehmend eine Belastung und ein Investitionshemmnis für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Das erlebe ich als Lenker eines großen Unternehmens hierzulande so. Gleichzeitig kann ich mir vorstellen, dass die Belastung für kleinere Firmen weitaus größer und schwieriger zu stemmen ist.

Standortdebatte in Deutschland: John Galvin im Gespräch

Auch die hohen Produktionskosten und Strompreise schmälern die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Foto: Coca-Cola / Kai Bublitz

Bürokratische Hürden und föderaler Flickenteppich: Standortdebatte in Deutschland entbrannt

Wir stoßen inzwischen immer häufiger auf bürokratische Hürden: Wenn beispielsweise gesetzliche Regelungen derart ausufern, dass sie von den zuständigen Behörden kaum noch fachlich und zeitgerecht umgesetzt werden können oder, wenn Verordnungen in den Bundesländern unterschiedlich ausgelegt werden.

Coca-Cola Mitarbeitende in der Produktion am Standort Mönchengladbach

Wir bei Coca-Cola Europacific Partners Deutschland produzieren hierzulande in 12 Bundesländern. Der föderale Flickenteppich erhöht unseren Aufwand zusätzlich und beeinträchtigt unsere Planungssicherheit. Foto: Coca-Cola / Adrian Müller

Das Bundes-Immissionsschutzgesetz als Beispiel für bürokratische Hürden

Ein Beispiel ist das Bundes-Immissionsschutzgesetz – kurz BlmSchG. Alle unsere 14 Produktionsstandorte in Deutschland fallen unter die darin geregelten Anforderungen. Weil wir bestimmte Rohstoffe verarbeiten und Getränke in relevanten Mengen herstellen, müssen wir nachweisen, dass unsere Produktionsprozesse keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche oder Erschütterungen haben. Dies zu unterstützen, ist uns – insbesondere vor dem Hintergrund unserer Nachhaltigkeitsstrategie – ein wichtiges Anliegen.

Allerdings sind die Ausgangslage und die Anforderungen derart komplex, dass wir für alle BlmSch-Verfahren ein spezialisiertes Ingenieurbüro beauftragen müssen. Wir gehen davon aus, dass wir dafür von Januar 2022 bis Dezember 2024 rund 240.000 Euro ausgegeben haben werden. Dazu kommt der Aufwand bei uns, um unserem Dienstleister zuzuarbeiten: Für den Bau einer neuen Mehrweglinie an einem unserer Standorte ist beispielsweise schon ein ganzes Jahr lang ein Mitarbeiter damit befasst, Berechnungen anzustellen, Unterlagen zusammenzustellen und den Antrag nach dem BlmSchG zu unterstützen.

Coca-Cola Mitarbeiterin wirft prüfenden Blick auf Flaschen in der Produktion

Bürokratie-Beispiel BlmSchG: Die Verfahren und das Vorgehen der zuständigen Behörden unterscheiden sich von Land zu Land enorm. Für uns bedeutet das große Ungewissheit und teilweise starke zeitliche Verzögerungen in der Umsetzung von Investitionsprojekten. Foto: Coca-Cola / Uli Deck

Die hohe Regelungsdichte macht sich auch in den Behörden bemerkbar: Nachdem wir Unterlagen eingereicht haben, hat die Behörde vier Wochen Zeit, um zu prüfen, ob alle Unterlagen vollständig eingegangen sind. Diese Frist wird in den allermeisten Fällen nicht eingehalten. Das bedeutet für uns, dass schon zu Beginn des behördlichen Prozesses Verzögerungen an der Tagesordnung sind. Die fachliche Prüfung mit deutlich längeren Fristen folgt ja erst noch.

John Galvin in der Produktion bei Coca-Cola in Deizisau

Jedes Jahr besuche ich in regelmäßigen Abständen unsere Produktionsstandorte, um mir ein Bild davon zu machen, was unsere Mitarbeitenden beschäftigt. Die Anforderungen des BlmSchG gehören dazu. Foto: Coca-Cola / Uli Deck

Vertrauen in das deutsche Wirtschaftssystem sinkt

Laut einer Umfrage des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) haben schon 30 Prozent der befragten Unternehmen darüber nachgedacht, ihre Standorte ins Ausland zu verlagern. Andere haben angekündigt, diesen Schritt zu gehen, beispielsweise das Traditionsunternehmen Miele, das Deutschland teilweise den Rücken kehren will. Leider ist das kein Einzelfall.

Unsere Zukunft liegt in Deutschland

Wir sind gern in Deutschland. Deshalb haben wir bei Coca-Cola Europacific Partners Deutschland zwischen 2019 und 2023 insgesamt 612 Millionen Euro in unsere Standorte investiert – allen voran in Produktionsanlagen. 2024 planen wir Investitionen in Höhe von rund 165 Millionen Euro. Zu unseren größten Investitionsprojekten der vergangenen Jahre bis heute gehören

  • drei neue Produktionslinien für Getränke in Glasmehrwegflaschen an unseren Standorten in Lüneburg und Mannheim – davon ist eine im Aufbau, sowie
  • zwei Wieder-Inbetriebnahmen von PET-Anlagen: eine Einweglinie in Karlsruhe, die wir bereits eingeweiht haben, sowie eine Mehrweglinie, deren Betrieb noch starten wird.
John Galvin zu Besuch im Werk von Coca-Cola in Halle

Bei meinem Besuch vor kurzem in unserem Werk in Halle hat mir unsere Local Environment Managerin Karolin Tröbs unsere vier neuen Niederdruck-Kompressoren gezeigt. Durch den Austausch dieser Anlagen sparen wir jetzt 1,98 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr ein. Foto: Coca-Cola / Stefan Schellhorn

Wachstum als Booster für eine nachhaltige Entwicklung

Unsere Investitionen machen uns nachhaltiger, widerstands- und wettbewerbsfähiger. Bis 2030 wollen wir 30 Prozent unserer CO2-Emissionen reduzieren – entlang der gesamten Wertschöpfungskette. 2023 konnten wir bei Coca-Cola Europacific Partners den CO2-Ausstoß im Vergleich zum Basisjahr 2019 bereits um 16,7 Prozent senken. Ich bin zuversichtlich, dass wir die restlichen Schritte ebenfalls gemeinsam meistern werden.

Bürokratie abbauen, Planungssicherheit für Unternehmen erhöhen

Für uns und für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschlands sind folgende Punkte wichtig:  

  • Weniger Bürokratie: Statt detaillierter Regelungen brauchen wir Gesetze mit Leitplanken, die das große Ganze vorgeben – ohne sich dabei im Detail zu verlieren.

  • Mehr Planungssicherheit: Das beinhaltet auch, dass die Politik durch einheitlichere Verordnungen mehr Synergien zwischen den Bundesländern schaffen muss.

  • Mehr Vertrauen: Die Politik sollte wieder mehr Vertrauen in die Kompetenz der Behörden haben, damit diese ihren vorhandenen Spielraum stärker nutzen. So kommen wir bei wichtigen Zukunftsprojekten miteinander zu schnelleren und besseren Lösungen.

Gemeinsam ein industriefreundlicheres Umfeld schaffen

Wir wollen auch weiterhin unbedingt an Lösungen mitarbeiten. Das ist unsere Verantwortung und unser Selbstverständnis. Ich bin mir sicher: Wenn wir in Deutschland alle an einem Strang ziehen, können wir gemeinsam viel bewegen – und wieder ein industriefreundlicheres Umfeld schaffen.

John Galvin im Headquarter von Coca-Cola Europacific Partners Deutschland in Berlin - mit einem Fußball zur EM in der Hand

Um die wirtschaftliche Lage in Deutschland zu verbessern, müssen wir hierzulande alle Kräfte bündeln. Coca-Cola Europacific Partners Deutschland ist dafür bereit, seinen Beitrag zu leisten. Foto: Coca-Cola / Kai Bublitz